„Was passiert mit dem Müll aus meiner Tonne?“

Besichtigungsfahrt Abfallanlagen Lünen/Witten/Bochum am 22.09.17

Die Gemeinde Burbach und der Verein zur Förderung natürlicher Lebensgrundlagen e.V. hatten zu einer Besichtigungsfahrt der außergewöhnlichen Art eingeladen.

Denn am 22. September 2017 ging es – gemeinsam mit 49 interessierten Bürgerinnen und Bürgern aus Burbach und Umgebung  – mit dem Reisebus nach Lünen, Witten und Bochum, wo unterschiedliche Arten des Recycling, also der Wiederverwertung von Abfall, begutachtet werden konnten. Ziel der Besichtigungen war es, interessante Einblicke in die Geschehnisse nach der Abholung des Mülls zu ermöglichen sowie das Bewusstsein dafür zu stärken, dass das Trennen verschiedener Abfallsorten keineswegs reine Zeitverschwendung ist.

Die erste Station der Besichtigungsfahrt war das Lippewerk in Lünen, welches mit 230ha eines der größten Recyclingwerke Europas darstellt. Hier fand bis in die 1980er Jahre vornehmlich Aluminiumproduktion statt, doch durch den Strukturwandel der vergangenen Jahrzehnte, welcher auch das Abfallmanagement berührte, wurde die unrentable Herstellung von Aluminium eingestellt und so steht seit der Übernahme durch die Fa. REMONDIS 1993 das Thema Recycling im Mittelpunkt. Dabei gleicht das Werksgelände in keinster Weise einer Mülldeponie. Die Teilnehmer konnten überrascht feststellen, dass nur an wenigen Punkten auf dem Gelände unangenehme Gerüche zu vernehmen waren. Außerdem befindet sich gleich jenseits des Fabrikgeländes das Naturschutzgebiet Lippeaue, wie der Pressesprecher Michael Schneider, der die Führung leitete, stolz bemerkte.

Die Firma REMONDIS, welche das Lippewerk betreibt, sieht sich selbst als „Recycler“ und nicht als „Entsorger“. Dass diese Unterscheidung von einiger Bedeutung ist, erkennt man mit einem Blick auf den Rohstoffverbrauch pro Person pro Jahr in Deutschland. Mit 22t liegen wir hier weit über dem, was die natürlichen Ressourcen der Erde auf Dauer hergeben würden. Deshalb versucht man hier dem Abfall eine zweite Chance zu geben und ihn wieder nutzbar zu machen:

  • Das Biomassekraftwerk etwa gewinnt thermische Wärme aus altem Sperrholz und erzeugt so Strom und Wärme für ca. 10.000 Haushalte. Durch diesen Vorgang werden pro Jahr fast 500.000t CO2 eingespart.
  • Ein weiteres Beispiel ist die Gewinnung von Phosphor aus Klärschlamm. Die natürlichen Vorkommen werden bei gleichbleibender Nutzung in weniger als 100 Jahren zuneige gehen, weshalb innovative Technologien zur Rückgewinnung der Substanz von großem Nutzen sein können.
  • Ähnlich versucht REMONDIS auch Metalle aus Schlacke zurück zu gewinnen. Der Industrieabfall, der in der Vergangenheit als nutzlos galt, kann somit doch noch von einigem Nutzen sein.
  • In einer weiteren Anlage werden Tierkörper in einer Beseitigungsanlage zersetzt und zur Produktion von Biodiesel genutzt. Auch hier stellten die Teilnehmer überrascht fest, dass keinerlei Geruchsentwicklung aus den riesenhaften Tanks nach außen tritt.
  • Selbst giftige Stoffe wie Lösemittel und E-Auto-Batterien finden hier eine zweite Verwendung. So dienen aus Lösemittel gewonnene Aluminiumpigmente zur Reinigung von Wasser in Kläranlagen. Außerdem kann aus den Lösemitteln antiallergene Wandfarbe hergestellt werden. Die Batterien wiederum, welche nach drei Jahren ca. 15% ihrer Kapazität verloren haben und von der Autoindustrie nicht mehr genutzt werden, werden hier in einem sog. „Second-Use Batteriespeicher“ nachgenutzt. Ihnen kommt die Aufgabe zu, Spitzen in der Stromversorgung auszugleichen, wodurch sie eine wertvolle Rolle im Hinblick auf die Energiewende einnehmen können.
  • Des Weiteren werden im Lippewerk auch große Massen an Elektroschrott recycelt. Ob Fernseher, Kühlschränke, Kabel oder Rasenmäher: durch ein ausgeklügeltes System von Magneten und Gebläsen werden hier Plastik, Edelstahl und Co. voneinander getrennt. Lediglich der winzige Anteil seltener Erden kann nicht gewinnbringend wiederverwertet werden.

Auf diese Weise werden im Lippewerk pro Jahr 1,6 Mio. Tonnen Abfall in das Werk eingeführt, während 1,2 Mio. Tonnen dieses in umgewandelter Gestalt als Rohstoffe wieder verlassen. Damit leistet REMONDIS einen bedeutenden Beitrag zur Schonung natürlicher Ressourcen und zeigt, dass Müll nicht gleich Müll ist.

Die zweite Station der Besichtigungsfahrt führte zur AHE-Biogas- und Kompostierungsanlage nach Witten. Hier wird der Biomüll aus Haushalten sowie Garten- und Parkabfälle zersetzt und auf verschiedene Weisen verwertet. Das Unternehmen AHE gehört zu 50% REMONDIS und zu 50% der AVU, einem Energieversorger aus dem Ennepe-Ruhr-Kreis. Auch hier wurde den Teilnehmern sogleich vermittelt, dass die Leitidee darin besteht, aus Abfall ein Produkt zu generieren.

Im hermetisch abgeriegelten Fermenter werden der Biomüll und die Garten- und Parkabfälle zu einem zähen Brei zerkleinert und durch spezielle Bakterien zersetzt. Dabei besitzen Bioabfälle den dreifachen Energiegehalt von Zweigen und Laub und spielen deshalb eine besonders wichtige Rolle. Der Vorgang findet bei gleichbleibenden 56°C statt und dauert einige Tage. Anschließend werden gasförmige, flüssige und feste Teile voneinander getrennt. Das gasförmige Methan wird zur Stromproduktion in den auf dem Gelände befindlichen Blockheizkraftwerken verwendet bzw. kann gespeichert werden, um Spitzen der Stromnutzung auszugleichen. Somit werden vor Ort 5,5 Mio. kWh/Jahr an Strom erzeugt, was durch die anbei befindliche Photovoltaikanlage auf ca. 10 Mio. kWh/Jahr ergänzt wird. Die flüssigen Teile aus dem Fermenter dienen als Dünger und können ohne umweltbelastende Schwermetalle auf Feldern verteilt werden, was einen bedeutenden Vorteil gegenüber Gülle darstellt. Die festen Teile wiederum werden von Plastikresten befreit und nach einem weiteren Reifeprozess als Komposterde weiterverkauft.

Den Teilnehmern wurde hier also eindrücklich gezeigt, welchen Nutzen der gewöhnliche Biomüll aus dem Haushalt hat. Auch wurde die Wichtigkeit deutlich, den Bioabfall frei von sogenannten Störstoffen wie Plastiktüten zu lassen, da allein in der AHE-Biogasanlage in Witten Kosten in Höhe von 200.000 € pro Jahr aus der Entfernung dieser nicht zersetzbaren Stoffe entstehen.

Weiter ging es schließlich zur dritten und letzten Besichtigung des Tages. In der Leichtverpackungs Sortieranlage in Bochum dreht sich alles um das fachgerechte Trennen und Sortieren der unterschiedlichen Plastiksorten, die alltäglich im Gelben Sack bzw. der Gelben Tonne landen. Das Werk, welches zur Firma REMONDIS gehört, bereitet hier den Plastikmüll von ca. zwei Millionen Menschen für die weitere Verwertung auf – das entspricht etwa 1/9 der Einwohner NRWs.

Über Förderbänder und Rüttelanlagen wird der Müll zunächst grob nach seiner Größe vorsortiert. Diese rein mechanische Sortierung vermag es jedoch noch nicht unterschiedliche Plastiktypen zu trennen. Hierfür läuft der Müll über ein ausgeklügeltes Fließbandsystem, welches zu verschiedenen Vorrichtungen führt, die die einzelnen Teile mittels Laser erkennen und in atemberaubender Geschwindigkeit sortieren. Hierzu nutzen die Anlagen Luftdruckdüsen, welche den einzelnen Teilen einen Stoß versetzen und sie entweder in die eine oder andere Richtung bewegen. Somit werden die unterschiedlichen Plastiktypen (z.B. PE – wie Eimer, Getränkekästen –, PET – wie Getränkeflaschen – und andere) voneinander getrennt. Insgesamt werden neun verschiedene Fraktionen getrennt. Anschließend werden die Kunststoffe zu Quadern zusammengepresst, die jeweils ein Gewicht von einer Tonne haben. Für den weiteren Verkauf ist dabei eine Reinheit von 94% des jeweiligen Kunststoffs Vorschrift, um einer Reklamation zu entgehen. Das so sortierte Plastik wird dann von Firmen aufgekauft, eingeschmolzen und zur neuerlichen Verwendung recycelt.

Am Ende eines langen und hoch informativen Tages hatten wohl alle Teilnehmer zahlreiche Dinge dazugelernt. Besonders der Grundgedanke, unter dem die gesamte Fahrt stand, die Teilnehmer über die Wichtigkeit des korrekten Mülltrennens zu informieren und zu sensibilisieren, wurde erreicht. Die vielschichtigen Einblicke in die Kehrseite des Konsums beeindruckten nachhaltig.